Brasilien ist bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem von Außen interpretiert worden, es war theoretisch gesehen ein Anhang von Portugal bzw. Europa und den USA. Das Hauptmerkmal der Theoretiker des 19. Jahrhunderts ist ihre Beschäftigung mit Fragen nach der Rasse und der Rolle der Versklavung in Brasilien.
Nina Rodrigues (1862-1906)
Nina Rodrigues war ein Arzt und Ethnologe, der ganz offen von minderwertigen Rassen (Schwarze, Mulatten und Indiander) sprach. Nach ihm sind diese Gruppen minderwertig, weil sie im Lauf der Geschichte an einer rückständigen Stelle stehen geblieben seien und daher nur über eine minderwertige Intelligenz und Ethik verfügten. Rodrigues kam zu dem Schluss, dass die Sklaverei in Brasilien einen Rasse geschaffen hätte, die zu Minderwertigkeit verurteilt sei.
Euclides da Cunha (1866-1909)
Euclides da Cunha schrieb das sehr einflussreiche Buch “Os Sertões” (1902, “Krieg im Sertão”), es kann als ein geographisches, historisches und literarisches Werk gelesen werden. Inhaltlich handelt es sich um eine Reportage über den Bürgerkrieg von Canudos im Sertão von Bahia (1896-97). Besonders hervorzuheben sind die Kulturanalyse, der Ideologieverdacht, sowie die Landes- und Gesellschaftsbeschreibungen. Einerseits wird ein Brasilien des Hinterlandes, der Unterentwicklung und der religiösen Frömmigkeit präsentiert, andererseits wird eine Ideologie des Fortschritts mit einer Eliten-Kultur und Welt-Zivilisation gezeigt. Diese Vorstellung von Brasilien als ein gespaltenes Land wird weiterhin diskutiert, das Buch wird auch heute noch in den brasilianischen Sozial-, Geschichts- und Literaturwissenschaften gelesen und studiert.
Weitere brasilianische Autoren dieser Zeit sind:
- Joaquim Nabuco (1849-1910)
- Silvio Romero (1851-1914)
- Capistrano de Abreu (1853-1924)
Im 20. Jahrhundert traten erstmals brasilianische Intellektuelle auf, die sich mit der sozioökonomischen und kulturellen Entstehung und Entwicklung Brasiliens befassten. Sie lassen sich nach der Ansicht von Lincoln Secco und Luis Bernardo Pericás (“Intérpretes do Brasil. Clássicos, rebeldes e renegados”, São Paulo: Boitempo, 2014), in die drei Gruppierungen “Klassiker, Rebellen und Abtrünnige” einteilen.